Porter Thomson
Der Autor aus Cuxhaven

LP: Die Paradiesische Hölle

 



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Der Beginn


Ruhig und sanft schaukelnd glitt die Trinity mit ihrem dunkelblauen und  kräftigen Schiffskörper aus Stahl über die himmelblaue und ruhige See des pazifischen Ozeans dahin. Da der Wind günstig stand hatte Skipper Joe auch jedes der acht weißen Segel, ohne es zu reffen, voll setzen lassen, so dass die Trinity trotz ordentlicher Fahrt ruhig durch die See glitt und mit einer leichten, aber akzeptablen, Schräglage auf sein Ziel Honolulu zu hielt.

Es war ein schöner Tag, die Sonne schien, der Himmel war blau und die zwanzig "Gäste", so nannte Joe stets seine Passagiere wenn er sich mit Maria seiner Maatin unterhielt, hatten auf dem Hauptdeck ein einfaches Sonnensegel gespannt, unter dem es sich vor allem die Kinder Jenny und Lukas, aber auch die Frauen mit etwas empfindlicher Haut bequem machen konnten. Die vier jugendlichen Mädchen, hatten auf den Aufbauten der Klubmesse, rund um das Dachfenster Decken und Handtücher ausgelegt und sonnten sich provokant oben ohne. Das würde so lange gut gehen bis irgendwann deren Mütter oder Väter es bemerken und böse schimpfen würden.

Den männlichen Jugendlichen war natürlich so ein banales Sonnenbad viel zu langweilig. Sie waren ständig da wo es etwas zu helfen gab. Ob da nun das Toppsegel etwas nach gespannt werden musste, weil es ein wenig im Wind flatterte, oder es irgendwo einen Staag, also das Zurrseil irgendeines Segels, welches damit nach gespannt oder gelockert werden konnte, aufzunehmen galt, irgendwie fanden sie immer etwas, um sich zu beschäftigen.

Manchmal drehte auch der Wind, da mussten dann fast alle "Gäste" bei der sogenannten Wende helfen, sprich wenn dann alle Segel mit einem mal in den Wind gedreht werden mussten. Da waren dann vor allem die erwachsenen Männer gefragt um Maria bei der doch recht schweren Arbeit zu helfen. Aber sie machten es gern! Dafür hatte jede Familie der großen Verwandtschaft 5000 Dollar also insgesamt 30000 Dollar an die Chartergesellschaft bezahlt. Ziel des Urlaubs war auf einem Segeltörn wahrhaftig zu segeln, und nicht gesegelt zu werden! Die Chartergesellschaft stellte die Trinity mit Skipper Joe und Maatin Maria, bezahlte diverse Hafengebühren und die Gäste kamen für den Proviant und die Verpflegung, auch für die des Skippers und des Maats, auf.

Doch im Moment gab es weniger zu tun. Der Kurs lag schnurgerade an, der Wind war stabil und keines der Segel flatterte auch nur mit einem Zipfel im Wind. So ließ es sich die Verwandtschaft einfach mal so richtig gut gehen. Wie gesagt die Mädchen sonnten sich über der Klubmesse. Die Männer saßen beisamen und führten halt typische Männergespräche. Ab und an fand man sich in der Klubmesse an der kleinen Bar ein und genehmigte sich ein kühles blondes Bier oder, wenn die Frauen mal nicht hin guckten, auch mal einen kleinen Whiskey.

Die Jungen standen im Moment auf der Brücke neben dem Skipper und durften auch mal, wenn nichts besonderes anlag, das Schiff steueren, vielmehr durften sie das Steuerrad festhalten und den vorgegebenen Kurs auf dem Kompas strikt einhalten. Die waren vielleicht stolz!

 Auf dem Vordeck hatten sich einige Frauen ein paar Campingstühle aufgebaut und schauten voraus in die Ferne oder dösten einfach in der Sonne.  Auf dem Achterdeck, im Auge eines zusammengelegten langen Tampen, ein langes starkes Seil, zum festmachen des Schiffes, lag ein braun-grauer kleiner Mischlingshund, mit dem einfachen Namen Oskar. Dieser gehörte dem Skipper und war somit auch Teil des Inventars der Trinity, sozusagen der Bootshund.

In der Kombüse, die sich direkt neben der Klubmesse befand, klapperten bereits Töpfe und Pfannen. Das war ein gutes Zeichen, gab es doch bald Essen! Jeden Tag war eine andere Familie für das Essen verantwortlich. So gab es kein Zuständigkeitsgerangel.

All dem Treiben oder dem nicht Treiben konnte Christian nichts abgewinnen. Weder fröhnte er dem Whiskey noch war er groß für das Steuerrad zu begeistern. Er lag barfuß, in Bermudashorts und buntem Hawaiihemd im Fangnetz des Klüverbaums, ein langer Mast welcher weit über den Bug hinausragte, und an dem Klüver-, Vock- und Fischersegel verankert waren. Dort döste er friedlich vor sich hin und genoss ab und an eine erfrischende Dusche von einer brechenden Bugwelle des Schiffes. 

Als die Sonne schon fast im Zenit stand und sie erbarmungslos auf die, noch immer entblößten, jungen Mädchen auf den Aufbauten der Klubmesse herunter knallte, ertönte eine Glocke vor der kleinen Tür zur Klubmesse. Das war das Zeichen, dass das Mittagessen fertig war. Sofort machten sich alle im Schiff auf um sich in der Klubmesse einzufinden, wo gemeinschaftlich gegessen wurde und anliegende Dinge des Schiffsalltages besprochen wurden. So begab es sich, dass auch der Skipper beim Mittagessen erschien, während Maria Steuerwache hielt. Überall auf dem Schiff war ein Rumpeln und poltern zu hören, als sich nach und nach auch die letzten beim Essen einfanden.

Alle saßen sie nun an den vier Tischen und aßen doch recht hungrig die schnöden Spaghetti Bolognese, die sich der Küchendienst in seiner unendlichen Kreativität hat einfallen lassen. Aber komischer weise wurden sie an Bord doch gern gegessen. Während des Essens wurde auch reichlich geschwatzt, entweder jeder mit seinem Tischnachbarn oder über zwei drei Tische hinweg. Irgendwann kam die Idee auf, dass man doch bei dem schönen Wetter einmal im pazifischen Ozean baden könnte.

"Wie siehts denn aus Joe?", fragte Walther, der ältere Bruder von Christian. "Könnten wir nicht einfach irgendwo mal ankern, auf dass wir kurz ins Wasser können? Oder gibt das die Zeit nicht her?"

Joe der Skipper überlegte einen Moment. "Wir fahren zwar auf eine Sturmfront zu, die wir auch nicht umsegeln können..." Er machte eine Pause und fuhr sich mit der Hand durch das kleine Kinnbärtchen, welches ihn wie einen der drei Musketiere aussehen ließ. "Ich schaue nach dem Essen in die Seekarten. Sollten wir an einer Stelle vorbeikommen, wo wir ankern können, und wir auch noch genug Zeit haben das Schiff sturmsicher zu machen, sollte das kein Problem sein."

Alles jubelte, in freudiger Erwartung der anstehenden Erfrischung.

"Dann lasst uns doch gleich nach dem Essen das Schiff sturmsicher machen!", rief einer der Jungen von einem anderen Tisch. "Vielleicht findet ja Joe unterdessen eine Stelle zum ankern!"

Zustimmendes Gemurmel wurde laut. Walther und der Skipper schauten in die Runde.

"Ich würde sagen Joe, wenn Du nichts dagegen hast ist es beschlossen!", stellte Walther fest und aß weiter seine Spaghetti.

"Meinetwegen!"

Nach dem Essen ging es überall auf Deck hoch her. Alle wuselten irgendwo herum. Loses Gerät auf Deck wurde entweder weg geräumt oder mit Spanngurten verzurrt, das Sonnensegel vom Hauptdeck wurde abgebaut, alle Bullaugen wurden überprüft und gesichert, in der Kombüse wurde das Geschirr und die Töpfe in die eigens für Schiffe hergestellten sturmsicheren Schränke verbracht und gesichert. Christian für seinen Teil, der für den Abend als Barkeeper eingeteilt war sicherte alles was zur Bar gehörte. Die Jungens liefen das komplette Unterdeck ab und verschlossen alles was nicht dicht war, wie diverse Luken oder Dachfenster, machten alles fest was lose herum lag und fanden sich schließlich beim Skipper auf der Brücke ein, der gerade über seinen Seekarten stand, während Maria auf dem sesselähnlichen hochbeinigen Sitz des Steuermannes mehr lümmelte als saß und einzig mit den großen Zehen ihres rechten Fußes das Steuerrad hielt. Hin und wieder korrigierte sie mit eben diesen beiden Zehen ihres kleinen Fußes leicht den Kurs. Durch ein großes Fernglas schaute sie ab und an in die Ferne.

"Maria!", rief Joe über seinen Seekarten gebeugt.

"Ja?", antwortete ihm Maria gelassen.

"Etwa dreißig Meilen von uns in nordöstlicher Richtung befindet sich eine Insel. Etwa fünfzehn Meilen vorgelagert gibt es ein paar flachere Stellen, da könnten wir ankern! Es wäre nur ein kleiner Schwenk für uns." Joe stand noch immer über der Seekarte gebeugt und nahm gerade mit einer Art Zirkel Maß, um die Entfernung genau zu bestimmen.

Maria stand auf und drückte einem der Jungen das Steuer in die Hand. Auch sie schaute auf die Seekarte. Nach einigen Sekunden hob sie den Kopf. "Das liegt ja am Arsch der Welt! Weit ab von jeder Schifffahrtslinie!"

"Ach das geht schon! Wie gesagt für uns ist das nur ein kleiner Schwenk. Wenn der Sturm kommt sind wir wieder auf Kurs.", beschwichtigte Joe Marias gesunde Skepsis. "Also! Ich übernehme das Steuer, Alles klar machen für eine Halse auf Nordnordost."

Im gegensatz zu einer Wende wurden nicht nur die Segel in den Wind gedreht, sondern auch zeitgleich das Schiff auf einen anderen Kurs. Weil dieses Manöver augenscheinlich so aussah, als würde sich das Schiff um seine Bugspitze drehen, nannte sich dieses Segelmanöver auch "Halse".

"Alles klar Skipper!" bestätigte Maria den Befehl. "Na Jungs! Kommt ihr mit?" Die Jungens, die insgeheim alle für die dunkelblonde sportliche  und braun gebrannte Maria schwärmten, stürmten der jungen Frau hinterher.

"Wir machen eine Halse!! Wir machen eine Halse!!", riefen sie laut über das Deck, während sie Maria hinterher liefen.

Aus allen Ecken des Schiffes eilten die "Gäste" herbei um irgendwie zu helfen. So eine Halse war ein Highlight an einem solchen Tag auf hoher See.

Auch Christian kam als letztes dazu, war er doch noch damit beschäftigt gewesen die Bar sturmsicher zu machen.

"Hat Joe eine Stelle zum ankern gefunden?", fragte er neugierig und nahm einen Staag, den Maria gerade gelöst hatte. Christian würde ihn auf ein Kommando hin durch eine Schlaufe kommen lassen. So wurde, wenn es soweit war, dem Wind etwas Tuch gegeben, wie es der Skipper immer zu nennen pflegte.

"Ja ein paar Meilen von hier vor irgendeiner Insel gibt es ein paar nicht ganz so tiefe Stellen, da können wir ankern."

"Ist das kein riesiger Umweg?", hakte Christian nach, nur um überhaupt mit der hübschen Maria ins Gespräch zu kommen.Auch er war von der hübschen jungen Frau recht angetan.

"Nicht so richtig. Wir verlassen zwar ein wenig die Seestraße, ist aber nur ein kleiner Schwenk von vielleicht zwanzig Meilen. Zumal der Wind günstig steht. Alles klar?" Maria lächelte Christian zu.

"Na da bin ich ja beruhigt!", erwiderte er und hielt den Staag fest, welcher mit einem Doppelschlag, also zwei überinander liegenden Schlaufen, um den Haken saß.

Da entschwand Maria auch schon aus seinem Einzugsbereich und widmete sich dem nächsten Segel. Verträumt folgten seine Augen ihren sicheren Bewegungen auf dem Schiff, wie sie kraftvoll und gekonnt die einzelnen Segel händelte und mit einfachen Kommandos die "Gäste" in die Arbeit mit einbezog. Christian vermutete, dass mit einer professionellen Crew die Halse schon längst abgeschlossen wäre.

Alle Staagen waren nun mit "Gästen" besetzt und Maria gab Joe ein Handzeichen. Der schlug jetzt das Steuerrad auf Nordnordost  ein und Maria gab auch schon ihr Zeichen für die Gäste, die nun entweder die Staagen kommen ließen oder an ihnen zogen. Christian stand in Windrichtung, also ließ er das Seil kommen, auf das sein Segel sich in den Wind legen konnte. Auf ein Zeichen von Maria machte er seinen Staag mit zwei halben Schlägen, einer anderen Art Doppelschlaufe, am Haken fest.  Sofort lief er zu seinen Schwagern, Cousins und seinem Bruder und half beim anziehen der Segel, dass bei einer Halse oder Wende der anstrengenste Part war. "Schon" nach fünf Minuten waren alle Segel optimal neu ausgerichtet und der neue Kurs lag an. Nicht ein Zipfel Tuch flatterte mehr im Wind, was ein untrügerisches Zeichen dafür wäre, dass eines der Segel nicht ganz hart am Wind lag und demzufolge nicht seine volle Leistung abrufen konnte.

Die Trinity lag nun auf ihrem neuen Kurs gen Nordnordost und hatte sehr gute Fahrt. Schräger als bisher lag das Schiff nun im Wind, so dass die Deckskannte schon fast die Wasserlinie berührte, was aber durchaus normal sei, wie Christian schon bei früherer Gelegenheit von Maria erfahren hat.

Nach etwa zwei Stunden gab der Skipper das Kommando zum Segel einholen. Sie waren da! Jetzt wurde geankert! Alle machten mit, die Segel beim einholen auf die Segelbäume ordentlich zu falten was in freudiger Erwartung des Badespaßes recht zügig von statten ging. Mit einem Knopfdruck auf der Brücke entriegelte Joe die Ankerwinde. Ein ohrenbetäubendes Dröhnen erfüllte das Schiff, als die groben Kettenglieder der Ankerkette ratternd über die kleine Öffnung am Bug ins Wasser fielen. Der ganze stählerne Schiffskörper vibrierte unter den Füßen der Gäste. Von allen Seiten waren "Ohh!!" und "Ahh!!" zu hören. Mit einer so heftigen Reaktion des Schiffes, beim Anker zu Wasser lassen, hatten wohl die wenigsten gerechnet. Die Trinity stand im Wasser und fern am Horizont war schwach die besagte Insel zu sehen.

Fix zogen sich fast alle ihre Badesachen an, ließen sich bei Maria von einer Liste streichen, damit man später auch keinen Gast vergaß, und kletterten über eine herabgelassene Strickleiter ins Wasser oder taten es wie die halbstarken Jungs, und sprangen über die Reling ins kühle Nass. Einzig die kleinen Kinder Jenny und Lukas, deren Mutter Laura, Christians Schwester, und die älteren Frauen entsagten dem Badevergnügen. Alle hatten ihren heiden Spaß. Sie schwammen und tobten, tauchten unter die Trinity und wieder hervor, während die Frauen an Bord fleißig Bilder schossen und alles mit der Videokamera fest hielten.

Maria unterdessen packte mit Joe die eingeholten Segel in sogenannte Persennings ein, extra Überzieher aus Segeltuch, die letzte Sturmsicherungsmaßnahme. In einem Sturm wurde prinzipiell unter Motorkraft gefahren. Wie jedes Segelschiff in der heutigen Zeit, verfügte auch die Trinity über einen zusätzlichen Dieselmotor.

Nach etwa fünfzehn Minuten Badespaß kletterte auch Christian über die Strickleiter zurück an Bord. Schnell lief er zum Vordeck, wo sein Handtuch lag und trocknete sich ab. Einen Moment schaute er in die Ferne. Sein Gesicht verfinsterte sich wie die pechschwarze Wolkenwand des angekündigten Sturmtiefs, welches da am Horizont zu sehen war und zügig näher kam. Schnell hatte der Badespaß ein Ende.



Das Monster


 

Inzwischen kämpften Joe und Maria bereits seit geschlagenen sechs Stunden gegen die unbändige Kraft dieses Wirbelsturms an. Dröhnend stampfte der Diesel gegen die Wellenberge vor. Joe nahm die Wellen frontal, um ein Kentern zu vermeiden.

Vom Skipper unter Deck verbannt, saß die Verwandtschaft schon den ganzen Abend in der Klubmesse beisammen und hielt sich an den im Boden verankerten Tischen fest. Vielen war übel und sie übergaben sich in Tüten, die Maria zu Beginn des Sturms an alle verteilt hatte. Einzig Christian schien den Sturm relativ gelassen hinzunehmen, hatte er doch das Glück, die kleine Bar  sichern zu dürfen. Er sorgte dafür das die ganzen Ablagen für Gläser und Flaschen gesichert, dass das Bierfass mit einem Spanngurt verzurrt und die Tür des Kühlschrankes verschlossen war. Dieser Job erwies sich als Segen! War er doch als Einziger mit etwas sinnvollem beschäftigt und wurde nicht seekrank.

Eins ums andere mal bäumte sich die Trinity unter den Wellenbergen hoch auf. Jedes mal mussten sich die "Gäste" an irgend etwas fest klammern um nicht durch die Klubmesse geschleudert zu werden. Christian gelang es noch immer  sich abzufangen, indem er sich entweder am Tresen festhielt oder sich mit seinen Knien oder Füßen irgendwo gegen stemmte. Die Kinder und einige Frauen schrien vor Panik. So hoch wie sich die Trinity unter dem Wellenberg aufgebäumt hatte, so tief stürzte sie unvermittelt in das tiefe Wellental. Die Gläser und Flaschen der Bar klingelten beängstigend stark. Ein erneutes panisches Aufkreischen der Frauen und Kinder untermalten diese bedrohliche Szenerie.  Christian überprüfte abermals, als das Wellental erreicht war, den Sitz der Arretierungen für die Gläser- und Flaschenablagen.

Plötzlich flog krachend die kleine Tür vom Deck in die Klubmesse auf und über die kurze Treppe polterte Maria herein. Von draußen war der tosende Lärm des Taifuns zu hören und Blitze zuckten durch die Nacht. Maria war triefend nass, Shirt und Shorts klebten an ihrem sportlich muskulösen Körper. Nicht zum ersten mal auf diesem Segeltörn durch die ostindische See und dem Pazifik nach Honolulu geriet Christian bei diesem Anblick in Verzückung. Sie atmete schwer vor Anstrengung und schaute mit seltsam verzehrtem Gesicht und weit aufgerissenen Augen in die Runde.

"Unter den Bänken...", rief Sie und versuchte das Getöse des Taifuns zu übertönen "...findet Ihr die Rettungswesten. Zieht sie an, nur zur Vorsicht! Wir haben alles im Griff!" Sofort verschwand Maria wieder durch die kleine Tür und schloss sie knallend hinter sich.

In der Klubmesse sprangen alle panisch auf um die Sitze der Bänke hoch zu klappen. Ein Chaos entwickelte sich, bei dem es ein Gerangel um die Rettungswesten gab, gerade so als wären nicht genug für alle da! Plötzlich wurde da keine Rücksicht mehr darauf genommen, dass man ja Onkel, Tante, Neffe, Nichte, Cousin oder Cousine von jemand anderem war. Plötzlich war man nur noch ein Mensch, ein Mensch der um´s nackte Überleben kämpft.

Christian stand noch immer hinter der Bar und schaute dem Treiben entsetzt zu. Zum Schrecken aller waren aufeinmal alle Westen weg. Aber nur knapp fünfzehn der etwa zwanzig Gäste hatten eine Weste! Die schwächsten, also die zwei Kinder, deren zierliche Mutter Laura sowie Ashley, eine jüngere Cousine von Christian und er selbst gingen leer aus! Das Geheul der Kinder und ihrer Mutter wurde immer lauter.

"Verdammt nochmal ihr Schweine!!!...", schrie Christian alles übertönend. "Gebt wenigstens den Kindern welche ab!" Christian wollte sich mit entbrannter Wut auf seinen Schwager, dem Vater der Kinder, stürzen, der ihm am nächsten stand, als sich die Trinity erneut auf einen Wellenberg erhob. Doch diesmal war etwas anders! Das Segelschiff hob sich mit dem Bug nach oben, immer weiter und weiter! Es wollte gar nicht mehr aufhören! Jeder der konnte klammerte sich irgend wo fest. Die Stimmen der kreischenden und schreienden Menschen überschlugen sich. Das Schiff stand nun fast senkrecht. Ein älterer Cousin und zwei der größeren Jungen flogen schreiend quer durch die Klubmesse und landeten hart auf der gegenüberliegenden Wand. Christian vermochte sich am Tresen festzuhalten und schaffte es noch gerade eben sich die kleine Jenny zu schnappen, sonst wäre sie ebenfalls durch den Raum gefallen. Die Trinity stand bereits mehr als senkrecht, etwas kopfüber sogar. Sofort war Christian klar, das würde nicht gut enden und hielt Jenny mit dem einen Arm fest an sich geklammert, die sich das auch wimmernd gefallen ließ. Ihr kleiner Bruder Lukas klammerte sich verzweifelt an einem Tischbein, das ja zum Glück im Fußboden verankert war und schaute laut heulend zu seinem Onkel mit Jenny im Arm herüber.

Die Trinity ächzte und knarrte bedrohlich, als sie sich immer weiter und weiter kopfüber beugte.

Plötzlich war für eine Sekunde alles ruhig, bevor sie krachend und mit einer allmächtigen Wucht kopfüber aufschlug. Niemand vermochte sich jetzt noch an irgendetwas fest zu halten. Jeder fiel wie ein Stein auf die Deckenpanele der Klubmesse. Christian landete, Jenny noch immer im Arm, schmerzhaft auf dem Rücken und schrie, den stechenden Schmerz kaum aushaltend. Sein Schwager krachte mit voller Wucht auf das Dachfenster. Sofort zersprang das Glas und eine gewaltige Flutwelle schoss in die Klubmesse. Geistesgegenwärtig schnappte sich Christian den kleinen Lukas, der direkt neben ihm lag.

"Haltet die Luft an!!!", schrie er den Kindern noch ins Ohr, da war auch schon die Klubmesse geflutet. Christian versuchte sich in dem Gewühle aus zappelnden Armen und Beinen zurecht zu finden. Immer wieder wurden er und die Kinder schmerzhaft getreten, von den Leuten, die bedingt durch den Auftrieb ihrer Schwimmwesten gegen den kopfüberliegenden Fußboden gepresst wurden. Die Kinder in seinen Armen wanden sich hektisch, weil sie auch immer wieder von Tritten getroffen wurden und ihnen langsam die Luft ausging.

Christian fiel die zersprungene Dachluke ins Auge. Kurz entschlossen hielt er die Kinder umklammert und tauchte, mit ihnen in seinen Armen, durch dieses Loch nach außen. Instinktiv begann er nach oben zu tauchen.

In hektischen Bewegungen und immer größer werdender Atemnot tauchte Christian, die beiden Kinder an sich klammernd, als wären sie sein Leben, immer weiter nach oben. Doch konnte er nicht erkennen, wann er denn nun endlich die rettende Wasseroberfläche erreicht haben würde. Draußen war es ja stockfinstere Nacht. Wo ist sie denn bloß? Christian wollten schon die Kräfte schwinden und ihm wurde langsam schwarz vor Augen. Er war versucht einfach den Mund aufzumachen und einfach zu atmen. Sein letzter Rest Willenskraft ließ ihm der fatalen Versuchung widerstehen. Seine Bewegungen wurden immer schwächer und Christian sah das Ende nahen, da endlich schoss er mit den beiden Kindern in den Armen an die Wasseroberfläche mit einem pfeifenden Geräusch sog er gierig die Luft in seine Lungen und hustete auch schon im nächsten Moment. Sofort schaute er in die Gesichter der Kinder, die sich noch nicht geregt hatten, seit er die Wasseroberfläche erreicht hat. Christian hatte sie an den Bäuchen umschlungen und schaute ihnen entsetzt in die regungslosen Gesichter.

"Jenny!!! Lukas!!!", schrie er und versuchte das Getöse des Taifuns zu übertönen. Intuitiv ließ er sie in seinen Armen durch rutschen, bis er sie um ihre Brustkörbe hielt. Er versuchte flach auf dem Rücken zu schwimmen und drückte die Kinder mit all seiner ihm verbliebenen Kraft in kurzen Abständen an sich, immer und immer wieder. "Kinder!!! Kinder!!! Kinder!!!", schrie er unentwegt. Wäre sein Gesicht nicht schon nass dann könnte man jetzt die Tränen der Verzweiflung auf seinen Wangen erkennen, während  er wieder und wieder die Kinder an sich presste.
Da endlich! Jenny spukte eine Fontäne Wasser aus und hustete stark. sogleich fing sie an zu weinen.

"Jenny! Kleine Maus! Hab keine Angst! Ich halte Dich!!!", schrie Christian überglücklich ohne damit aufzuhören Lukas seinen Brustkorb weiter zusammen zu pressen. Sogleich umarmte Jenny ihren Onkel und heulte ausgelassen. "Onkel Christian! Was ist passiert! Wo ist Mum?! Wo ist Dady?"

"Jenny leg deine Arme um meinen Hals! Bitte!", schrie Christian durch den brüllenden Taifun, dessen ohrenbetäubender Lärm übermächtig war. Das Kind schlang sich auf Christians Rücken und umklammerte seinen Hals. Jetzt hatte er beide Arme für Lukas frei, der noch immer nichts von sich gab. Immer wieder presste Christian neben dem Brustkorb des Knaben auch dessen Magen zusammen. Das Salzwasser, welches der Junge geschluckt hatte, musste wieder raus!

"Lukas!!!", schrie er krächzend, klammerte sich doch Jenny so sehr um seinen Hals, dass sie ihm fast die Luft zum Atmen abdrückte. "Lukas!!! Wach endlich auf Kleiner! Du kannst es! Deine kleine Schwester hat es auch geschafft!! Nun komm schon verdammt!!!", schrie Christian erneut und presste mit der Kraft der Verzweiflung den Körper des Knaben zusammen. "Komm!!!"

Mit einem gurgelnden Geräusch schoss ein Schwall Wasser aus Mund und Nase des Knaben.

"JAAAA!!!", schrie Christian überglücklich und reckte entschlossen eine Faust zum schwarzen Himmel, der von grellen Blitzen kurzzeitig erhellt wurde, gerade so, als wollte er dem Taifun trotzig den Kampf ansagen. Er hat es geschafft! Diese drei Seelen hat das Monster nicht verschlungen!

Lukas war wieder bei Bewußtsein, wenn auch noch benommen. Nun hielten sich beide Kinder an seinen Schultern fest und Christian versuchte sich, und die beiden Kinder in den Armen, ruhig in dieser tosenden See zu halten. Jetzt fanden Sie auch die Zeit sich um zu schauen. Doch was sie sahen war ernüchternd und erschreckend zugleich. Um sie herum war nichts als die See mit ihren riesigen Wellenbergen, die sie eins ums andere mal mit auf ihre Gipfel nahmen, um sie dann einfach wieder, einem Spielball gleich, fallen zu lassen. Von der Trinity war weit und breit nichts zu sehen, noch nicht einmal Trümmerteile! Christian, Jenny und Lukas waren einsam, einsam und verlassen auf den schier unendlichen Weiten des pazifischen Ozeans.


Der Lichtschein


 

Inzwischen seit einer Stunde... oder waren es doch schon zwei oder drei Stunden? Christian hatte jedes Zeitgefühl verloren, trieben er und die beiden Kinder in der vom Taifun aufgewühlten See. Zahlreiche Blitze zuckten vom Himmel, die kurzzeitig die Hölle, in der sich die drei befanden, erhellten. Noch immer hielt Christian die beiden Kinder in den Armen und versuchte sich mit ihnen mehr schlecht als recht an der Wasseroberfläche zu halten. Trotz des warmen Klimas schlotterten und zitterten die Kinder. Mit der Situation mental hoffnungslos überfordert wimmerten die beiden herzerweichend und hatten ihre Köpfe auf seinen Schultern gelagert. Auch an Christian ging die lange Zeit im Wasser nicht spurlos vorrüber. Auch er fror, wenngleich seine Muskeln in den Armen und Beinen vor Überanstrengung brannten. Doch aufhören sich zu bewegen oder gar den Griff um die Kinder zu lockern kam für Christian nicht in Frage.

Noch immer hatte es Christian nicht ganz geschafft die zurückliegenden Stunden zu verarbeiten. Wie konnte es nur passieren, dass ein Schiff wie die Trinity, ein ehemaliger Hochseefischtrawler, den man zu einem Segelschiff umgebaut hat, dass so ein Schiff einfach so sank? Waren denn solche Schiffe nicht auch für derartige Stürme ausgelegt? Waren wirklich alle anderen tot? Hatte nicht wenigstens Laura, die ja auch nicht durch eine Rettungsweste gehandicapt war, es geschafft? Oder Ashley, seine jüngere Cousine? Wie konnte es sein, dass die Rettungswesten am Ende nur Tod und Verderben brachten? Warum waren zu wenige da? Diese und viele andere Fragen schwirrten durch Christians Kopf, ohne dass er in seiner Verfassung auch nur eine logische Erklärung fand.

"Onkel Christian mir ist so kalt!", meldete sich zwischendurch weinerlich die kleine Jenny.

"Mir auch!", warf Lukas gleich mit ein.

"Ich weiß Kinder! Schmiegt euch noch enger an mich, vielleicht kann ich euch etwas von meiner Wärme abgeben." Christian drückte die Kinder noch etwas fester an sich.

"Ich will zu meiner Mum!", heulte Jenny los und Lukas konnte wohl auch nicht mehr an sich halten und stimmte mit ein.

"Bestimmt sehen wir sie bald wieder!", rief Christian und tätschelte ein wenig die Rücken der Kinder. "Wisst Ihr, was eure Grandma immer gesagt hat?"

Die kinder schüttelten schluchzend die Köpfe.

"Also hört zu!

 

Immer wenn Du denkst es geht nicht mehr,

kommt von irgendwo ein Lichtlein her.

Ein Lichtlein wie ein Stern so klar,

es wird Dir leuchten immer da.

 

Habt ihr das verstanden Kinder? Seid tapfer und verliert nicht die Hoffnung. Irgendwo da oben leuchtet ein Stern für uns!"

Wieder einmal wurden sie von einer riesigen Welle erfasst.

"So Kinder macht fein wie zuletzt Augen und Mund zu!!", rief Christian. Die Kinder sollten nicht soviel Salzwasser schlucken. Das würde ihren Durst nur noch verstärken. Wie so oft, trug sie die Welle, die sie gepackt hatte höher und höher hinauf. Doch diesmal trug die Welle sie enorm weit hinauf, so kam es Christian jedenfalls vor. Er nutzte die Gelegenheit der Sekunde und schaute sich schnell einmal um. Da zuckte ein Blitz auf und ließ für einen Bruchteil einer Sekunde die Nacht helle werden. War da nicht irgendwas? Die Silhouette von etwas? Hatte es Christian nicht richtig erkannt? Oder war da garnichts? Manchmal spielten ihm ja seine Wünsche und Sinne einen Streich?

Da ließ diese riesige Welle die armen drei Geschöpfe einfach fallen wie einen Stein. Sie sausten wieder hinab ins Wellental. Die Kinder kreischten und Christian versuchte sie so eng wie möglich an sich zu drücken. Er versuchte sich mit ihnen ein zu rollen, um einen eventuellen Aufprall von den Kindern fern zu halten. Sie wirbelten nun wild im Wasser herum, hatten sie doch ihre Stabilität verloren. Da war etwas schwarzes Glänzendes! Das konnte Christian noch erkennen. Alles endete in einem kurzen heftigen Schmerz und ... Aus!

Leserkritiken zu "Die Paradiesische Hölle"

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